Kalabrien - Der Bericht

Hier könnte ein Bild erscheinen, wenn Harald denn nur einen Scanner hätte. Nachdem also das Thema Bol d'Or 2000 für die Zuspätgekommenen als Reiseziel ins Wasser gefallen ist - und das wohl auch über dieses Jahr hinaus -, drängte uns unser Freund Little Joe das südliche Tackenland im Juni als Ersatzveranstaltung auf. Die einzigen beiden, die er dafür begeistern konnte, Klaus und Harald, schickte er in einem urplötzlichen Anfall von Karrieregeilheit alleine los und für die Daheimgebliebenen folgt der unvermeidliche Bericht:

Das Abenteuer Autozug, richtigerweise sollte er Motorradzug heissen, erwies sich als eine durchaus gelungene Art des Reisens: Keine Kartenkontrolle, ein Abteil zu zweit, und die Tierchen hattens zwar zugig, aber dafür mit freiem Blick ins Land. Allerdings sollte so gepackt werden, dass man nicht das komplette Geraffel durch den ganzen Bahnhof schleppen muss, sondern das Gröbste auf dem Packesel belässt.

In Neapel angekommen dauerte es dann ca. 100m bis zum ersten Stau und ca. 500m bis zum ersten Unfall, weil die Suzi nicht schnell genug von der Ampel wegkam: ein verbogenes Nummernschild war die Folge, aber auch schon der einzige Zwischenfall dieser Art für die ganze Reise. Also nix wie raus aus dieser Stadt, die sicherlich ihren Reiz hat, aber nicht in Lederjacke bei 35 °C von oben und 120 °C von unten. Die Jacke wanderte also nach ganz unten zur Hose und den Stiefeln in die Tasche und hätte auch getrost zuhause bleiben können. Das erste Bad im glasklaren Golf von Salerno mit der roten Sonne, die in der Tat bei Capri im Meer versank, entschädigte dann allerdings in grandioser Art und Weise für die Zuckelei durch Napoli und seine Vorstädte. Was dann abends in Salerno los war, ist für den gemeinen Mitteleuropäer nicht zu beschreiben: Da ging wirklich die Post ab!

Für uns hingegen war erst Basteln (kleiner Kurzer im Kawa-Cockpit) und dann Kultur angesagt:
Herculaneum, das uneingeschränkt sehenswert ist, der Vesuv, in dessen Krater es noch nicht mal rauchte geschweige dennn brodelte, wie es der ADAC und die Zdjlakk versprochen und ich bescheuerterweise sogar geglaubt hatte - der Blick über den Golf von Neapel war den Aufstieg aber allemal Wert - und zum Abschluss die Cosatiera Amalfitana: Nicht ganz so begeisternd wie ihr Ruf, aber ein erstes schönes Stückchen Strasse. Tags drauf auf der Durchreise nach Praia á Mare gabs dann als Zugabe noch die weltweit besterhaltensten griechischen Tempel in Paestum.

Die Suzi quittierte das Kulturprogramm mit einer Zündkerze und kam danach nie mehr so richtig auf Trapp, was ihren Fahrer anfangs sehr, später weniger und zum Schluss gar nicht mehr tangierte, denn 3 Zylinder reichen in Süditalien auch dann, wenn man einen vierten mitschleppen muss.

Unser Gastgeber in Praia, Luigi, hatte seinen Campeggio zwar noch nicht so weit, aber den Bungalow mit Meerblick und Gartenschlauchdusche gabs für 35.000/Nacht mit Kühlschrank, Herd und direktem Gleisanschluss: Wir sollten noch weit schlechter nächtigen. Und als Zugabe lag vor der Haustür die beeindruckendste Landschaft der Reise, die Costa Maratea: Ursprünglich und malerisch, keine Bauruinen, sanfter Tourismus: so ganz anders als das komplette übrige Süditalien präsentiert sich dieser nur 20 km lange Küstenstreifen, den die Basilikata vom Tyrrhenischen Meer hält. Im Hafen von Maratea betraten wir den Gourmet-Tempel "Bei Mariechen" nur kurz, denn der Geiz ließ uns kurzerhand die Flucht ergreifen und trieb uns der Erlöserstatue zu, deren aufgeständerte Zufahrt völlig bizarr ist, der Blick von oben jedoch ist ein absolutes Haileit

Weiter ging es Richtung Süden, an unattraktiven Bauruinen vorbei und dann hinein in die Berge: ein erster richtiger Pass, Cosenza, Kalabriens heimliche Metropole, die wir wg. der Hitze gar nicht erst ansteuerten, sondern es ging direkt in die Sila, eine tannenbewaldete Lanschaft, in der wir von taubeneigroßen Hagelkörnern überrascht wurden...

Die Abfahrt war dann geprägt von Tannenzapfen und der vereisten Straße - der einzige Campeggio weit und breit war uns zu einsam - also steuerten wir S. Giovanni in Fiore an und gönnten uns ein Hotel, das gut und preiswert war. Wir hätten allerdings Halbpension buchen sollen, denn ein Ristorante war beim besten Willen nicht aufzutreiben, aber immerhin gab es noch eine geöffnete Bar.

Auf der Fahrt zum Ionischen Meer gabs dann zur Abwexlung mal wieder Kultur in Santa Severina und drüben angekommen eine schier endlose nervenaufreibende Suche nach einem geöffneten C-Platz: Trotz 35 °C im Schatten war eben noch keine Saison..., auch in Crotone nicht, wo einst Pythagoras den ersten mathematischen Beweis fürte. In Ciró schließlich waren wir dann doch noch erfolgreich und fanden in La Locanda auch noch das kulinarische Haileit der Reise.

Nach ein bißchen Beachen an dem entwicklungslandmäßig verdreckten Strand war Motorradfahren angesagt: Kurve an Kurve, Rennbelag, super Landschaft drumrum, kaum Verkehr: unvergleichlich, wenn die Kawa nicht durch Ölverlust erneut negativ in Erscheinung getreten wäre. Der Schrauber-Kalabrese unterbrach aber bereitwillig seine Siesta und brauchte dann 2h für die teflonmäßige Abdichtung eines Schräubchens. Dafür ließ er sich die ganze Aktion aber auch nur mit 10.000 Lire vergüten, obwohl er sogar das Teflonband erst vom anderen Ende der Stadt holen mußte und die Kawa ist heute immer noch dicht...

Drei Tage später waren wir genug gewedelt und fuhren auf einer megalangweiligen Küstenstraße nach Metaponto. Dort schnaselte uns zunächst ein deutscher Würstchenbudenbesitzer zu und anschließend machten wir dann auf dem gepflegten, aber seelenlosen, Campingplatz die einzigen Motorradfahrerkanntschaften der Reise. Zur Abwechslung betranken wir uns also zu viert und nicht zu zweit, was für die 2 Jungs aus HH sicher genauso galt. Der Ort hingegen war ätzend, die Nacht katastrophal, also ging es direkt am nächsten Tag weiter.

Die Sassi von Matera waren ein weiterer kultureller Höhepunkt; Matera selbst ist eine Stadt, in der wir hätten einige Tage verbringen sollen, denn die Atmosphäre dort ist durchaus interessant, was für die wenigsten Städte gilt, die wir besuchten. Auch für die beeindruckende Hügellandschaft der Basilikata hatten wir leider keine Augen, denn wir fuhren mit einem kurzen Zwischenstop am Castel del Monte, der Kaiserkrone; direkt weiter zum Stiefelsporn, dem Gargano. Dort "entspannten" wir dann völlig überflüssigerweise drei Tage in mitten von Herrscharen bayerischer Familien, die die wiederum einmalige Landschaft in der typisch deutschen Urlaubermanie annektiert haben. Ätzend!

Wir wechselten am vorletzten Tag nach Caserta vor den Toren Neapels und umschifften dabei äußerst glücklich ein bemerkenswertes Unwetter. Ein Hotel in der Innenstadt aufzutreiben war dort schwieriger (und teurer) als erwartet, zumal der touristische Höhepunkt der Stadt, ein versaillesmäßig angelegtes Schloss kein wirkliches Muss ist. Neapel war dann erneut die Hölle, aber wir erreichten glücklich und zufrieden den Verladebahnhof und 18h später auch wieder München Ost, wo mich nichtsahnenderweise der absolute Höhepunkt der Reise überraschte.


Gefahrene Strecke ab OHA: 3798 km